Ein Arzt Roman © 2010

 

mixed media series by Gerald Zahn

 

Assemblages, framed behind glass
52 cm x 41,5 cm x 1 cm

Gerald Zahn widmet sich in seiner neuen Serie von Assemblagen dem Arztroman, dessen Leserschaft nach wie vor zu 95% aus Frauen besteht. Was jedoch kaum jemand weiß ist, dass dieses Genre auch die am meisten gelesene Schriftstellerin des deutschsprachigen Raumes hervorgebracht hat. Gerty Schiede.

 

Unter dem Pseudonym Patricia Vandenberg hatte die inzwischen verstorbene 180 Millionen Exemplare ihrer Romanheftreihe „Dr. Norden“ verkauft. Zu ihren besten Zeiten waren es bis zu sechs Romane, die sie pro Monat vollendete. Zum Vergleich: Von allen Bänden der deutschen Übersetzung von „Harry Potter“ wurden bisher nur 30 Millionen Exemplare abgesetzt.

 

Die Geschichte des Heftromans beginnt im 19. Jahrhundert: mit Bilderbogen, Ein-Blatt-Drucken und Fortsetzungsgeschichten in Zeitschriften. In Amerika erschien der erste Heftroman um 1850 und wurde damals „Eisenbahnliteratur“ oder auch „Reiseliteratur“ genannt.

 

Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten literarischen Werke, die Ärzte und ihr Tätigkeitsumfeld thematisierten. Im 20. Jahrhundert erschienen dann auch vermehrt Romane, deren Autoren oft selbst Ärzte waren und damit ihre eigenen Erlebnisse verarbeiteten. So schildert William Somerset Maugham in „Of Human Bondage“ („Der Menschen Hörigkeit“), die Entwicklung eines Medizinstudenten zum Arzt.

 

Im Jahre 1937 entwirft A. J. Cronin seinen Roman „Die Zitadelle“ ein kritisches Bild der Gesundheits-versorgung und medizinischen Ethik in Großbritannien. Neben der im Vordergrund stehenden Gesellschaftskritik und der Entwicklung der Hauptperson im Sinne eines Bildungsromans enthält der Roman auch eine Liebesgeschichte. Infolge entwickelte sich dieser Roman zu einem der einflussreichsten Bücher der 1930er Jahre und bald auch zu einem internationalen Bestseller. Aufgrund seines Erfolges und Einflusses wird er heute oft als der klassische Arztroman betrachtet und sein Autor als Begründer des Genres angesehen.

 

In der deutschen Kriegsprosa spielte der Arztroman ebenso eine besondere Rolle: Durch die Verknüpfung von hippokratischen Handeln und Heilen konnten die Kriegsverbrechen besonders einfach relativiert werden. Es wurde die Legende einer ’sauberen Wehrmacht‘ in das gesellschaftliche Bewusstsein verankert. Beispielhaft ist hier „Der Arzt von Stalingrad“ von Heinz G. Konsalik (1956).

 

Nach dem 2. Weltkrieg etablierte sich der Arztroman im deutschsprachigen Raum als festes Genre innerhalb der Trivialliteratur. Gekennzeichnet durch seine engen schematischen Vorgaben behandelt er zumeist Liebesthemen. Als Publikationsform manifestierte sich der Heftroman, der nicht mehr über den normalen Buchhandel, sondern über Kioske und Tankstellen vertrieben wurde.

 

Ein Recycling erfuhren viele dieser Hefte in den so genannten Romantausch-Geschäften die noch das Straßenbild Wiens der 50er- und 60er Jahre prägten. Ein Überbleibsel dieses Tauschsystems sind die Namenskürzel und Unterschriften, die sich ähnlich einem Graffiti Tag immer noch auf vielen der Heftcover befinden. Sie waren notwendig um bereits gelesene Hefte zu markieren. Erst als erschwingliche Videorecorder auf den Markt kamen, verschwanden diese Geschäfte weitgehend und wurden nicht selten durch Videotheken ersetzt.